Erzähl mir vom Träumen
Wie das Wissen vom Leben unseren Tod beeinflusst
Bardo ist ein tibetisches Wort und bezeichnet ganz allgemein einen Übergang. Es steht für die Lücke zwischen dem Ende einer Situation und dem Beginn einer nächsten. „Bar“ heißt so viel wie „dazwischen“und „do“ „aufgehängt, geworfen“. Im Prinzip beschreibt ein Bardo einen Zwischenzustand, der von tiefer Unsicherheit geprägt, aber uns besondere Gelegenheiten bietet. Das Leben selbst offenbart uns ständig diese Bardo-Erfahrungen. Zum einen in der Veränderung und Vergänglichkeit der Lebensumstände selbst und zum anderen in der Natur unseres (unruhigen) Geistes.
Bardo des Sterbens
Aber auch während unseres Todes erleben wir den besonderen Übergang einer Situation in eine nächste. Der Tod ist nicht einfach nur der Tod, wie wir ihn bisher kennen. Er ist nicht grausam, sondern ein einfacher Prozess, des Wer-wir-wirklich-sind. Es ist vielmehr einfach ein Zustand. Ein Moment, in dem der Geist freier ist als sonst, ein Moment, in dem mehr Energie enthalten ist, der besonderes Potential birgt.
Der Tod ist ein Moment, in dem der Geist freier ist als sonst.
Die drei Stufen der Reidentifikation
Neale Donald Walsch beschreibt in seinem Buch „Zuhause in Gott“ die drei Stufen der Reidentifikation bzw. drei Stadien, die wir während des Todes durchlaufen.
1. Das Aufgeben der Identifikation mit dem Körper
2. Das Aufgeben der Identifikation mit dem Geist
3. Das Aufgeben der Identifikation mit der Seele.
Was für eine Aufgabe, den Körper, dann den Geist und dann die Seele abzulegen. Da stellt sich sofort die Frage, wer wir denn wirklich sind und was bleibt.
Was bleibt und wer wir wirklich sind
Dazu fällt mir die berüchtigte Beobachtung unserer Gedanken ein. Diese zeihen wie Wolken am Himmel vorbei. Und wenn wir lernen, sie zu beobachten, ohne zu greifen, entstehen Lücken, die wir wahrnehmen können. Diese wiederum offenbaren uns, dass wir weder Körper, noch Geist sind. Wir sind vielmehr der „Beobachter“ des Ganzen.
Wir sind vielmehr der „Beobachter“ des Ganzen.
Aber vielleicht geht es im Prozess des Todes ja noch weiter, wie Walsch behauptet.
Die verschiedenen Bardos
Das tibetische Buch vom Leben und vom Sterben beschreibt die Zustände der Bardos wie folgt:
1. Bardo dieses Lebens, die Zeitspanne zwischen Geburt und Tod
2. Bardo des Sterbens, vom Einsetzen des Sterbeprozesses bis zum Ende der „inneren Atmung“
3. Bardo der Dharmata, die Nachtoderfahrung
4. Bardo des Werdens, bis zum Augenblick der Geburt
Mal abgesehen von einem Glauben an Reinkarnation werden diese Zustände der Bardos mit den verschiedenen Bewusstseinsebenen des Geistes aus diesem Leben verglichen.
Und hier wird es spannend.
Die Bardos während du schläfst
Da es sich bei den Bardos um verschiedene Wirklichkeiten des Geistes handelt, ergibt sich eine lebhafte Ähnlichkeit zwischen den verschiedenen Stadien, die wir im Schlaf und beim Träumen durchlaufen und den drei Bardos, die mit dem Tod verbunden sind:
1. Das Einschlafen ähnelt dem Bardo des Sterbens. Elemente und Denkprozesse lösen sich auf.
2. Das Träumen kann mit dem Bardo des Werdens verglichen werden. Ein Traumkörper durchlebt alle möglichen Erfahrungen.
3. Die Phase zwischen Einschlafen und Beginn der Traumphase. Nur wenige sind sich dessen überhaupt bewusst. Dieser Moment entspricht dem Zustand zwischen dem Bardo des Sterbens und dem Bardo des Werdens (Bardo der Dharmata).
Wie Du träumst, so verhältst Du dich im Prozess des Todes
Nach Sogyal Rinpoche sind die Bardos des Todes noch viel tiefere Bewusstseinszustände. Aber der Vergleich soll zeigen, wie schwierig es ist, ohne Übung das Gewahrsein während der Bardo-Zustände aufrechtzuerhalten und wie wichtig die eigene Praxis schon im jetzigen Leben ist, um diese Übergänge bewusst wahrzunehmen und zu gestalten.
Wer von uns bemerkt die Veränderung im Bewusstsein, wenn wir einschlafen? Wer ist sich des Zustandes zwischen Einschlafen und dem Einsetzen des Träumens bewusst? Wie viele wissen während des Traumes, dass sie Träumen?
Wie sich unser Geist in den Schlaf- und Traumzuständen verhält, zeigt, wie er sich im Prozess des Todes verhalten wird.